26.02.2013

【Eigenes】Zweitens! Aufgaben eines Zeitboten『Zeitbotin Annika meldet sich zum Dienst!』

Zweitens! Aufgaben eines Zeitboten



„Was? Wie? Hä?!“ Ich stieg durch gar nichts mehr durch. „Wie jetzt, soll ich die Briefe zu den Gräbern bringen oder was?“ 
Herr Kurzhos lachte. Lachte er mich aus? Idiot. 
„Nein, nein. Der Berufsname ‚Zeitbote‘ ergibt durchaus Sinn. Denn um deine Arbeit zu erledigen, wirst du eine Zeitmaschine benutzen.“ 
Okay, das war’s. Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging schnellen Schrittes aus dem Raum, doch ich wurde von jemandem festgehalten. Catrina Maybreak seufzte. 
„Miss Klein. Haben sie Verständnis! Niemand versucht hier, ihnen etwas vorzumachen.“ 
Ich fing beinahe an zu lachen. „Oh, kommen Sie. Wenn das hier ein verspäteter Aprilscherz ist, ist er ziemlich gut, aber das war’s dann auch schon.“ Das war doch alles dämlich! 
Doch mein Lateinlehrer und Vorgesetzter in spe erklärte nur: „Kommen Sie einfach mit, meinetwegen auch mit Zeugen, und ich zeige ihnen das Gerät.“ 
„Nein!“, rief ich trotzig. „Vergessen Sie’s! Suchen sie sich jemand Anderen!“ 
Und mit diesen Worten stürmte ich aus dem Gebäude. 

„Wie jetzt? Eine Zeitmaschine?!“, kreischte Irene quer über den verregneten Schulhof. Außer Mira und uns beiden hatte sich niemand in diesem strömenden Sommerregen nach draußen gewagt, die meisten Leute standen unter den Vordächern, die jedoch nicht sehr sicher aussahen. Der Schulhof selbst war eher ein großes, graues Quadrat als alles andere und wir standen an einer der wenigen Eisenbänke. 
„Ich weiß ja nicht.“ Mira schaute gedankenverloren nach unten. „Also, ich fände das ziemlich cool. Ich meine, du könntest echt in die Vergangenheit reisen.“ 
Verdattert starrte ich meine besten Freundinnen an. Die glaubten das doch nicht etwa, oder? Ich glaube, ich geh mich von einer Brücke stürzen, schoss es mir durch den Kopf. Und sowas nannte sich „Beste Freundinnen“. 
„Leute, der hat mich nur vera...“ 
Doch bevor ich weiterreden konnte, fiel Mira mir ins Wort: „Erstens, bemüh dich um eine kultivierte Aussprache. Zweitens, das Ganze ist doch nur hypothetisch. Stell dir vor, Herr Kurzhos hätte recht. Denk nur an die Möglichkeiten, die sich da eröffnen würden!“ Theatralisch reckte sie die Arme zum Himmel. „Du könntest in die Vergangenheit reisen und Geld verdienen! Und du hättest einen Job, den niemand sonst hat.“ 
Ich verdrehte die Augen. Das wurde mir so langsam zu doof. Gerade, als ich noch etwas erwidern wollte, gongte es – wobei man es nicht wirklich so nennen konnte, eher ein schrilles Kreischen, das sich perfekt in den Rest der Schule einfügte. Ich hatte nun Französisch mit Mira, die schon durchblicken ließ, wie sehr sie mich jetzt nerven würde. 
Da erschallte eine Durchsage mit nervigem Rauschen im Hintergrund: „Annika Klein möge bitte ins Sekretariat kommen.“ 
Irene lachte dreckig auf. „Was hast’n angestellt?“ 
Aber mir war schon irgendwie klar, was mich erwartete. 

Meine Vorahnung erwies sich als richtig: Aus dem winzigen Sekretariat wurde ich von Herrn Kurzhos geführt, hinaus auf den stickigen Flur. 
„Annika, gestern war ich noch nicht fertig“, begann er mir unüberhörbarer Amüsiertheit in der Stimme, die mich wütend machte. Er nahm mich immer noch auf den Arm. „Darf ich dir wenigstens erklären, wie das alles funktioniert?“ 
„Wenn’s Ihnen Freude bereitet“, grummelte ich und hörte sein ersticktes Lachen, während ich genervt auf den grauen Teppich sah. Diese Risse im Boden waren wirklich äußerst interessant. 
„Ein Zeitbote benutzt die Zeitmaschine, um Briefe, die verloren gingen, zu ihrem toten Absendern zurückzubringen, was übrigens ganz schön viele sind. Bei noch lebenden Menschen erledigt das die Post, aber unser Name spricht ja wohl Bände. Timeless heißt zeitlos“, erklärte er und ignorierte geflissentlich die Tatsache, dass Englisch eines meiner wenigen guten Fächer war. „Und die Zeitmaschine kann dich auch nur für dreißig Minuten in die Vergangenheit bringen, alles andere würde wohl die Gesetze der Physik sprengen. In Wirklichkeit ist es nämlich nur das: Eine komplexe physikalische Begebenheit, die nichts mit Magie zu tun hat. Aber ich schweife ab. Mit dem Zurückbringen der Briefe ist es eigentlich schon getan. Die Zeitmaschine kann dich an jeden Ort in Deutschland bringen, an dem eine weitere, die wir dort deponiert haben, steht. Gut versteckt natürlich. Weiter zurück als ins neunzehnte Jahrhundert wirst du nicht reisen müssen, die Maschinen haben wir im achtzehnten Jahrhundert versteckt.“ 
Insgeheim fragte ich mich, warum die Zeitmaschinen nicht schon längst gestohlen worden waren. Dann fiel mir wieder ein, dass das ja ein riesiger Scherz war und lachte innerlich über die fehlende Logik. Ein Riss im Teppich zog sich durch den gesamten Flur. 
„Von dort aus wirst du loslaufen müssen. Es gibt mehr Maschinen als man annimmt, streng geheim versteht sich, aber die Zeit wird doch knapp sein. Die Briefe nimmst du mit und wirfst sie in die Briefkästen, dann kommst du wieder zurück. Aber du musst innerhalb von dreißig Minuten wieder zurück sein, sonst sitzt du ewig fest. Alle Zeitmaschinen sind durch komplexe Netzwerke miteinander verbunden, aber in die Zukunft bringen, das können sie sich nicht. Du musst es dir wie ein Gummiband vorstellen, das zurückschnellt.“ 
Das machte mich jetzt doch unfreiwillig neugierig. „Und was, wenn ich die Vergangenheit verändern würde? Sagen wir mal, ich würde einen Banküberfall sehen und ihn, warum auch immer, vereiteln. Was würde dann passieren?“, fragte ich. Aber mein Lateinlehrer blickte mich nur streng an. 
„Das darfst du niemals tun, Annika“, antwortete er. „Lass alles so, wie es sein sollte, außer die Briefe natürlich. Selbst ein aufgehobener Apfel kann die Welt verändern, wenn eigentlich jemand darüber stolpern sollte und plötzlich eine zündende Idee hätte, wie man so etwas verhindern könnte.“ 
Mein Hinterkopf registrierte die Tatsache, dass es so eine ähnliche Geschichte mal im Micky Maus Magazin gegeben hatte, und ich erschauderte. In der Geschichte hatten die Panzerknacker Entenhausen übernommen, weil Dagobert Duck nicht auf einer Bananenschale ausgerutscht war und ihre Tarnung durchschaut hatte. Das wiederum war passiert, weil Donald in die Vergangenheit gereist war und die Schale weggeworfen hatte. Zwar war das nur eine lustige Geschichte gewesen, aber wenn das mit der Zeitmaschine stimmen würde, wäre es geradezu gruselig. 
Herr Kurzhos registrierte mein Schweigen anscheinend als Zustimmung und reichte mir aus der großen braunen Ledertasche, wie sie ein jeder Lehrer zu haben scheint, eine weiße Bluse und einen ziemlich kurzen roten Faltenrock. „Das ist eine Uniform. Solange du hier bist, wirst du sie tragen. Für die Vergangenheit gibt es spezielle Kleidung.“ Und mit diesem Worten verschwand er wieder im Sekretariat, ließ mich allein und vollkommen ratlos zurück. 

Wieder einmal kämpfte ich mich durch den Wald, in dem das Timeless-Quartier lag. Ich trug meine Uniform, die mir definitiv zu groß war und vor allem viel zu weit, und schimpfte in Gedanken darüber, dass ich so neugierig war, doch noch vorbei zu schauen. 
Die Äste zerkratzten meine nackten Arme. Ich hätte mich ohrfeigen können dafür, noch einmal hergekommen zu sein! Aber schlussendlich hatte doch die Neugier gesiegt. Ich wollte jetzt wissen, wie diese Zeitmaschine aussah – falls es sie gab, was ich bezweifelte. Sollte jedoch die kleinste Wahrscheinlichkeit bestehen, wollte ich sie nicht verpassen. Immerhin konnte das hier meine Zukunft ändern! 
Endlich erspähte ich das Hauptquartier. Der Schriftzug – der dieselbe Farbe hatte wie mein Rock, fiel mir auf – war auch nicht zu übersehen. Ich drückte die Tür auf und sah, dass niemand am Empfang saß. Catrina Maybreak war entweder auf dem Klo oder nicht da. 
In diesem Moment schwang die linke Tür auf und ich erhaschte einen Blick auf Unmengen von Briefen, die dahinter gelagert waren. Doch bei dem Anblick des Jungen, der aus der Tür kam, schlug es mir fast die Beine unter den Füßen weg, was die Tatsache, dass ich Hunger auf Nudeln bekam, nicht gerade abschwächte. 
Marius Dehrdorff starrte mich aus riesigen Augen an. Er trug eine altmodische Postkluft, die nicht gerade vorteilhaft an seinem schlaksigen Körper aussah, und stammelte irgendetwas von: „Die ist ja tatsächlich da“. 
Herr Kurzhos erschien hinter ihm und winkte mir, eine Geste, die ganz im Gegensatz zu Marius‘ offensichtlicher Verwirrung stand. „Annika! Da bist du ja. Marius, wärst du so lieb und erklärst ihr, wie die Zeitmaschine funktioniert?“ 
„Äh, klar“, murmelte Marius, ohne den Blick von mir abzuwenden. „Mach ich.“ 
„Dann ist ja gut.“ Mein Lateinlehrer verschwand zur rechten Tür. 
„Marius Dehrdorff“, begrüßte ich ihn mit einem, wie ich hoffte, entwaffnenden Lächeln. „Warst du nicht derjenige, der mir diesen Job vorgeschlagen hat? Ich hätte nicht erwartet, dich hier zu treffen. Arbeitest du hier?“ 
„Als Zeitbote“, erwiderte er leise. „Ich arbeite als Zeitbote hier.“ 
Ich kam nicht umhin, mich zu freuen, wie ich ihn aus der Fassung bringen konnte. „Echt? Ich dachte schon, ich wäre die einzige. Wie schön, jemanden hier zu haben, den ich besser kenne als Herrn Kurzhos!“ 
„Ja. Besser als Herr Kurzhos.“ Der Ärmste war ja völlig traumatisiert. Haute ihn mein Anblick wirklich so von den Socken? 
„Als Herrn Kurzhos“, korrigierte ich, „sonst ergibt das einen völlig anderen Sinn.“ 
„Nee, nee. Macht Sinn so.“ 
Okay, vielleicht war das ein wenig gemein, aber ich war tatsächlich geschockt von seinen grammatikalischen Fehlern. „Ergibt Sinn. Es kann nicht Sinn machen, nur Sinn ergeben.“ 
Abrupt schüttelte Marius den Kopf. Fliegende Nudeln! Mein Magen knurrte. „Annika! Herr Kurzhos hat dich nicht vertrieben? Mit seinem ganzen offenen Gerede ums Zeitreisen? Die meisten Leute schwirren wieder ab. Ich bin stolz auf dich – entweder bist du hartnäckig, neugierig oder verdammt naiv.“ Und mit diesen Worten kam er auf mich zu und umarmte mich stürmisch. 
„Ich krieg keine Luft, Marius“, keuchte ich und er ließ mich los, mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht. 
„Also gut, Partnerin! Du weißt ja gar nicht, wie langweilig dieser Job alleine ist. Jetzt zeig ich dir mal alles, was? Du darfst gespannt sein, denn das was jetzt kommt hast du so noch nie gesehen!“

1 Antworten:

Anonym hat gesagt…

Hey!

Erstmal ein riesen Kompliment; Ich finde deine Geschichte super!

Besonders gefällt mir dein Schreibstil. So...natürlich, ungezwungen (klingt einfach nur blöd, aber mir fallen keine besseren Wörter dafür ein. Was ich meine ist, das man sich die Situation gut vorstellen kann, ohne mit Beschreibungen zugemüllt zu werden.) Und musste wirklich jedes Mal lachen, wenn Marius's Haare mit Nudel verglichen werden. Auf die Idee muss man erstmal kommen. Andere würden von blonden Locken schwärmen, Annika kriegt Hunger:)

Annika ist mir sowieso total sympathisch.

Sinn machen ist nicht korrekt!? Hätte ich auch so gesagt...

Auf jeden Fall bin ich neugierig, wie's weiter geht.

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